Fallszenario im Jugendzentrum
von Rechtsreferendar Nikolaus von der Groeben
Die minderjährigen Jugendlichen Axel (A) und Bodo (B) treffen sich
eines nachmittags im Jugendzentrum, um endlich die von ihnen seit langem
geplante eigene Website zu erstellen.
Einen Aufseher oder Betreuer sehen die beiden an diesem Tag nicht.
Aber, wie man mit dem Internet umzugehen hat, haben sie sich selbst beigebracht.
Eine Einweisung im Jugendzentrum hat nicht stattgefunden.
Da die beiden große Fans von Britney Spears sind, beschließen
sie, dass dieser ein wesentlicher Teil gewidmet sein soll. Ferner schwärmen
beide für den Basketball und vor allem den deutschen Basketballstar
Dirk Nowitzki. Natürlich muss auch dieser einen Ehrenplatz bekommen.
Also begeben sich beide auf die Suche nach geeigneten Motiven und kleinen
Musikstücken im World Wide Web.
Als sie den Suchbegriff Britney Spears bei einer offiziellen Suchmaschine
eingeben, erscheinen fast eine Millionen Suchergebnisse und Axel beschließt
die Liste von oben nach unten durchzusehen.
Zu seinem großen Erstaunen erscheint aber, nachdem er auf den
ersten Hyperlink geklickt hat, nicht die von ihm erwartete Homepage von
Britney Spears sondern eine Seite mit pornographischem Inhalt. Geschockt
verlässt er die Seite wieder, um die Homepage von Britney zu finden.
Nach einiger Zeit gelingt ihm dieses auch und er ist am Ziel seiner Träume:
von Filmchen über kleine Musikstücke bis zu Fotos aus allen Lebensabschnitten,
die Seite enthält alles, was das Herz eines richtigen Fans höher
schlagen lässt.
A und B beschließen, dass sie auf ihrer Website auch unbedingt
Fotos, Filme und Musikstücke von Britney haben müssen. Also kopiert
B kurzer Hand ein paar Bilder von der Homepage und fügt sie in die
Eigene ein.
Der Versuch, auch Filme und Musikstücke zu kopieren misslingt.
Anscheinend ist ein Kopierschutz eingerichtet. Daher besuchen A und B die
Seite eines großen Shareware-Anbieters, um sich dort Videodateien
und Musikdateien von Britney Spears herunterzuladen, um sie dann auf ihre
Website zu setzen. Auch mit Bildern und Informationen über Dirk Nowitzki
werden die beiden im Internet fündig und setzen sie auf ihre Seite.
Um sie zu komplettieren und sie nicht nur wie einen öden Abklatsch
anderer Seiten aussehen zu lassen haben A und B schon die letzten Wochen
an einem aufwendigen bunten Hintergrund und einem Logo gearbeitet. Diese
Elemente runden nun die eigene Seite ab. Um Besuchern der Seite direkt
klar zu machen, von wen die Website gemacht wurde, integrieren A und B
die Überschrift: „Dies ist die Homepage von A und B, viel Spaß
damit!“.
Ausserdem sind sie bei ihrer Recherche für die einzelnen Elemente
auf so interessante Internetseiten gestoßen, dass sie auch noch eine
Hyperlink-Liste aufstellen, damit interessierte Besucher direkt zu den
anderen Seiten verbunden werden.
Nun steht endlich die erste eigene Website und B verabschiedet sich
von A, weil er noch Hausaufgaben machen möchte und verabredet sich
mit ihm für den nächsten Tag.
Nachdem B gegangen ist, öffnet A nochmals die Website. Nun hat
er endlich die Zeit und die Ruhe einige ihm wichtige Punkte einzubringen,
die er mit dem B nicht besprechen wollte. Denn - was B nicht wusste – A
ist seit kurzer Zeit Mitglied bei der sog. „Sturmfront Kreuzberg“ geworden
und möchte daher nun in einem Unterverzeichnis eine Seite mit Bildern
aus der Zeit um Hitler in Deutschland und einem Chatroom für Gleichgesinnte
erstellen.
In der folgenden Woche geht dem Jugendzentrum eine Klageschrift wegen
Verletzung von Urheberrechten und A und B beschweren sich, weil jemand
sich ihr Logo kopiert hat und in seine Homepage integriert hat. Ausserdem
besucht die Polizei das Jugendzentrum eines Nachmittags, um den Server
wegen propagandistischer Inhalte zu schliessen.
Haftet das Jugendzentrum für mögliche Rechteverletzungen? |